ERSTE SIEDLUNGSSPUREN VON KELTEN, RÖMERN UND SLAWEN

 

Für das Rantental gibt es nur wenige Bodenfunde aus dieser Zeit der letzten Jahrhunderte vor Christi Geburt. Auch die Orts- und Flurnamenforschung hilft uns für diese Frühzeit kaum einen Schritt weiter. Ein einziger Flurname im Rantental könnte möglicherweise ein Hinweis auf die Anwesenheit von Menschen in dieser frühgeschichtlichen Periode sein: Im Urbar des Bischofs von Freising (in Bayern) von 1305/1316 wird erstmals eine Hube am Troyn in der Gegend von Ranten genannt. Ein weiteres Mal begegnen wir diesem Flurnamen im Urbar des Bischofs von Lavant aus dem Jahr 1480 unter jenen Burglehen, die zum Amt Kanten gehörten; Troyan.“’ Möglicherweise kann dieser Name Troin oder Traya aus einem präindogermanischen Stamm abgeleitet werden, der den eingezäunten Weg zwischen den Feldern für den Viehtrieb bezeichnet, den man in althochdeutscher Zeit als „bizuni“ (Zweizäune— Weg) nannte; dieses althochdeutsche Wort ist noch heute als „Pitzet" für den eingezäunten Triebweg üblich.“ Präindogermanisch troju = Fußweg, Steig

 

Der Kultwagen von Strettweg aus der Zeit um 600 v. Chr.

(Original im Universalmuseum Joanneum)

Kelten und keltische Kultur

Die Kelten sind das erste Volk in Mitteleuropa, dessen Namen wir kennen. Auf ihren Wanderzügen kommen sie bis nach Italien und erreichen schließlich Griechenland, Kleinasien und Spanien. Fast ein halbes Jahrtausend lang bestimmt das Keltentum europäisches Schicksal, bis das keltische Volk, das die antike Welt in Atem gehalten hat, im letzten Jahrhundert vor Christi Geburt von den Römern und Germanen fast gleichzeitig in die Zange genommen, als kontinentaler Machtfaktor ausscheidet. Nur in Teilen Großbritanniens und in Irland haben sich bis heute keltische Sprache und keltisches Kulturguterhalten. Die sehr einheitliche Kultur der Kelten in Mitteleuropa zwischen etwa 450 v. Chr. bis zur Zeitenwende wird als La—Téne—Kultur bezeichnet. Die Kelten entwickelten einen unverwechselbaren eigenen Stil. Gegenstände des täglichen Gebrauchs, vor allem Waffen und Schmuck, sind oftmals kunstvoll verziert. Waffen und Werkzeuge nun nicht mehr aus Bronze, sondern aus Eisen gefertigt. Schmuck wird aus Bronze oder aus Eisen, außergewöhnlich qualitätsvolle Stücke werden aus Gold hergestellt. Die keltischen Frauen tragen häufig Glasperlen. Eine Kostbarkeit stellen Armreifen aus Glas oder Lignit dar. Dank der Sitte, die Toten mit Beigaben fürs Jenseitsauszustatten, wissen wir über Tracht und Totenbrauchtum jener Zeit gut Bescheid. Meist wurde der Verstorbene verbrannt und in einer Urne beigesetzt. Absichtlich unbrauchbargemachte Gegenstände wie z. B. verbogene Schwerter liefern einen Hinweis auf die religiösen Vorstellungen der damaligen Zeit. Der Tote soll zwar für sein neues Leben gerüstet sein, seine Waffen aber nicht mehr gegen die Lebenden einsetzen können, Funde aus dem Gräberfeld von Slatina (in der Nähe von Cilli/Celje in Slowenien), in dem keltische Taurisker bestattet sind, illustrieren die Entfaltung der keltischen Kultur vom 3. zum 2. Jahrhundert v. Chr.

 

Bronzezeitliches Keltenschwert, gefunden von Walter Zitz

Eine ganze Reihe von Grabungen wie am Frauenberg bei Leibnitz, am Ringkogel bei Hartberg und vor allem in Södingberg belegen, dass auch die Steiermark, als Teil des Königreichs Noricum, an der keltischen Entwicklung teilgenommen hat. Eine Besonderheit stellen die Helme von Negau in der Untersteiermark dar, die bereits im 19. Jahrhundert gefunden wurden. Auf einem von ihnen ist eine Inschrift eingeritzt, sie zählt zu den ältesten Schriftdokumenten im Ostalpenraum. Im Jahr 15 v. Chr. fiel dieses Königreich Noricum der Machtpolitik Roms zum Opfer und wurde dem römischen Kaiserreich einverleibt. Die Noriker haben jedoch der römischen Expansion keinen nennenswerten Widerstand entgegengesetzt. Das Einzige, was aus dieser frühen Zeit bis in die Gegenwart herein über die spärlichen Bodenfunde hinaus in unserem Gebiet erhalten geblieben ist, das sind einige wenige aus diesem letzten vorchristlichen Jahrtausend erhaltene Namen von Bächen und Flüssen, die vor Christi Geburt gebildet und seither ohne Unterbrechung verwendet wurden. Es sind keltische Namen wie beispielsweise Enns und Mur. Der Name der Mur ist vorrömischer, indogermanischerHerkunft: *mur=, mor- bedeutet Sumpf, Moor; es ist also mit Mur ein Sumpffluss benannt worden.

 

Keltische Stämme im Königreich Noricum um Christi Geburt

 Unsere Heimat als Teil des römischen Weltreiches

Das keltische Königreich Noricum stand in engen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zum Römischen Reich und war mit ihm durch Verträge verbunden. Die Ausdehnung des Machtbereiches Roms nach Norden führte schließlich zur Zeit des Kaisers Augustus um Christi Geburt (15 bzw. 9 v Chr.) ohne nennenswerte kriegerische Konflikte zur Besetzung des Königreiches Noricum. So konnte sich keltisches Volkstum wie Sprache, Kunst, Religion und Tracht auch während der Zeit der römischen Herrschaft halten. Zunächst blieb das Königreich Noricum formell noch bestehen. In der Regierungszeit des Kaisers Claudius (41—54 n. Chr.) wurde aus dem durch ein halbes Jahrhundert innerhalb des römischen Staatsverbandes noch erhalten gebliebenen Königreich Noricum, mit einheimischer, von römischen Offizieren gelenkter Obrigkeit, im Jahr 45 n. Chr. die Zivilprovinz Noricum. Sie unterstand einem Statthalter - Prokurator - aus dem Ritterstand. Provinzhauptstadt wurde Virunum auf dem Zollfeld in Kärnten. Auch die heutige Steiermark gehörte zu dieser Provinz. Diese friedliche Entwicklung der Provinz Noricum wurde erst durch die Markomannenkriege (169—180 n. Chr.) unterbrochen und erforderte in der Folge große Anstrengungen, um Noricum gegen die „Barbaren“ zu sichern.

Die Zeit Kaiser Konstantins (306-337) führte noch einmal zu einer großen wirtschaftlichen und kulturellen Blüte. Danach setzte der unaufhaltsame politische Zerfall des Römischen Reiches ein und fand in den Wirren der Völkerwanderung 476 n. Chr. sein Ende. Bereits Agrippa, Feldherr und Schwiegersohn des Kaisers Augustus, hatte die Initiative zu einer groß angelegten Straßenvermessung des Reiches ergriffen und begann mit dem Bau eines die ganze Alte Welt überziehenden staatlichen Fernstraßennetzes. Damals wurde auch der wichtigste Verkehrsweg errichtet, der die Provinz Noricum durchzog, die Reichsstraße, die von Aquileia an der Adria aus über Kärnten und Steiermark zur Donau führte; es ist die Norische Hauptstraße. Ihren Verlauf kennen wir in großen Zügen, doch geben manche Teilstücke Rätsel auf. Aus zwei antiken Kartenwerken kennen wir auch die Namen der Stationen an dieser Straße, doch konnte nur in wenigen Fällen deren genaue Lage eruiert werden. Sicher ist ihr Verlauf jedoch über die Perchau. Diese Norische Hauptstraße führte über Kärnten und erreichte in der Einöd zwischen Friesach und Neumarkt die Poststation Noreia. Vom Einödgraben verlief sie möglicherweise bei der Hohen Brücke in Richtung St. Veit in der Gegend, von dort über St. Georgen und den Zirtschner Graben auf die Perchau, und von dort weiter in das Murtal. Trotz beachtlicher römerzeitlicher Fundstücke ist es schwierig, sich ein richtiges Bild über die Art und Weise der Besiedlung und Bevölkerung in unserem Gebiet zu machen, doch kann man ein blühendes Gemeinwesen erahnen. Namen auf den erhalten gebliebenen Grabsteinen verraten uns, dass die Bevölkerung in der Mehrheit Kelten gewesen sind. Von der großen Norischen Hauptstraße, die von Virunum (Zollfeld in Kärnten) über den Perchauer Sattel, den Pölshals, den Rottenmanner Tauern und über den Pyhrnpass an die Donau führte, zweigte bei Scheifling eine Straße zweiter Ordnung ab, die muraufwärts nach Salzburg führte und so Ost— und Westnoricum verband. Unterhalb von Murau vereinigte sie sich mit einer weiteren wichtigen Abzweigung der Römerstraße, die aus dem Laßnitztal kommend die Murtalstraße erreichte. Wie mehrere römerzeitliche Bodenfunde beweisen, teilte sich die Römerstraße bei Murau in zwei Arme, deren eine weiter muraufwärts über St. Georgen und Stadl in den Lungau führte. Wichtiger scheint jedoch die Abzweigung durch das Rantental und über Seebach in den Lungau gewesen zu sein, denn dieser Verbindungsweg war weniger von Hochwasser gefährdet als die Straße im engen oberen Murtal. Zudem war der untere Teil dieser Rantenstraße zugleich ein Teil des Saumweges, der seit frühgeschichtlicherZeit über den Sölkpass eine kürzere Verbindung mit dem Ennstal gestattete. Dass dieser Saumweg schon viele Jahrhunderte vor der römischen Besetzung unseres Landes benützt wurde, beweisen die zum Teil 6000 Jahre alten Funde am Sölkpass.

Auf diesem gut ausgebauten römerzeitlichen Straßennetz aus dem ersten Jahrhundert nach Christi Geburt entwickelte sich lebhafter Handel und Verkehr, und entlang dieser Straße lässt sich auch eine dünne römerzeitliche Besiedlung nachweisen, die durch Bodenfunde dokumentiert wird. Wir können davon ausgehen, dass die Römer in der Regel die vorgefundene Siedlungs- und Kulturlandschaft nicht wesentlich erweitert haben. In unserem Fall wird sich die Besiedlung wohl auf den engeren Bereich des heutigen Ranten beschränkt haben. Die illyro-keltischen Personennamen auf den Römersteinen des Obermurgebietes zeugen jedoch für die Kontinuität der alteingesessenen Bevölkerungsschicht auch in römischer Zeit, das als weiterhin vorherrschend bezeichnet werden kann. Besonders von Katsch aufwärts überwog die einheimische Bevölkerung, während murabwärts römische Namen auf Grabsteinen häufiger werden. Daraus können wir folgern, dass hier die Romanisierung der einheimischen Bevölkerung nicht besonders intensiv gewesen sein dürfte. Abgesehen von den wenigen römerzeitlichen Städten in der Provinz Noricum siedelte vor allem die römische Bevölkerung, die sich allerdings mehr und mehr mit den Vorbewohnern vermischte, in kleinen Stationen (mansianes, mutationes) am gut ausgebauten Straßennetz, in Dörfern (vici) und Villen (villue rusticae). Die Straßenstationen wurden gegründet, um den Durchreisenden Verpflegung Unterkunft und die Möglichkeit zum Wechsel von Zugtieren zu garantieren. In der Umgebung dieser Stationen gab es Dörfer, deren Bewohner die erforderlichen Nahrungsmittel lieferten. Mitunter bestanden bei diesen Stationen auch öffentliche Bäder und Heiligtümer. Landbesitz bedeutete für die römerzeitliche Bevölkerung gesellschaftliches Ansehen, weshalb viele regionale Beamte, Angehörige der städtischen Aristokratie und abgedankte Soldaten solche Landsitze zu erwerben trachteten.

                       

Römerzeitlicher Grabstein und Grabinschrift, 2. Jh. n. Chr., eingemauert an der Ostwand des Pfarrhofs Ranten

 Der Text der Inschrift lautet:
 Cattia C(ai) f(iliu)
Serena sib(i) et M(arco)
Iunio Censori-
no f(ilio) vet(erano) et Iuniue
Boudaef(iliae) et Samu[dae?]
f(iliaz)........................ 
 
Cattia, die Tochter des Caius, setzte diesen Grabstein für die Tochter Serena, für sich und für Markus Iunius Censorinus, ihren Sohn, einem Veteranen, sowie für Iunia, Tochter des Bouda und der Samu(da).

Nach dem Bruch dürften noch ein bis zwei Zeilen gefolgt sein, die nicht mehr vorhanden sind. Obwohl die genannten Personen das römische Bürgerrecht besaßen, sind sie durch die Zunamen als Einheimische ausgewiesen. Der Inschriftenstein wird in das zweite nachchristliche Jahrhundert datiert.

Ein weiterer Römerstein an der Pfarrhofmauer berichtet uns von einem wohl hier im Rantental einst ansässig gewesenen und hier begrabenen römischen Bürger Marcus Junius Censorinus aus dem Geschlecht der Junier; die Steinplatten dieses römerzeitlichen Grabsteines ließ einst Pfarrer Rossmann aus der Mauernische hinter dem Hochaltar der Kirche herausnehmen - es handelt sich dabei um zwei Brustreliefs eines römischen Ehepaares, das Ganzbild einer Sklavin und einen an den Ecken abgesägten Inschriftenstein aus der Zeit um 100 nach Christi Geburt.

Die wenigen Funde aus der Römerzeit weisen auf die Existenz einer Siedlung in provinzialrömischer Zeit zumindest im ersten und zweiten nachchristlichen Jahrhundert hin. Die auf den Inschriftensteinen angeführten Namen waren teils lateinisch, teils aber auch keltisch. Daraus können wir folgern, dass diejenigen Menschen, die damals im Rantental gelebt haben, zum Teil noch Kelten, zum anderen Teil aber bereits Römer bzw. romanisierte Kelten waren. Abgesehen von den römerzeitlichen Grabsteinen dürfte es nur einen einzigen namenkundlichen Beleg aus der Römerzeit für das Rantental geben, der auf römische Hügelgräber hinweist: In einer Urkunde des Jahres 1459 kommt eine wiese genant die Lebar gelegen unter den Fuerern im Rantental vor. Dieser Flurname leitet sich vom althoch— deutschen Wort (h)leo = der Erdhügel, das Grab her und weist auf eine prähistorische oder römerzeitliche Hügelgrabanlage hin. Dieser Flurname ist wie die meisten Leber-Namen im Zusammenhang mit jenen römerzeitlichen Grabsteinen zu sehen, die heute in die Pfarrhofmauer von Ranten eingemauert sind.

Zusammenfassend ergibt sich folgendes Siedlungsbild des Rantentales in vorslawischer Zeit: Aus namenkundlichen Belegen könnte unter Umständen eine dünne vorrömische Siedlungsschicht im Rantental angenommen werden, die weidewirtschaftlich auch ins Krakau— und Etrachtal ausgriff. Abgesehen vom Straßenbau bewirkte die römische Provinzialherrschaft keine wesentliche Erweiterung des Siedlungsraumes oder tiefgreifende Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur.

Slawen wandern seit dem 6. Jahrhundert auch bei uns ein

Seit der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts brachen aus dem Norden und Nordosten in immer kürzeren Abständen die Stämme der Völkerwanderungszeit in das Römische Reich ein und bereiteten seinen Niedergang vor. Der Staatsstreich des germanischen Söldnerführers Odoaker bedeutete im Jahr 476 das Ende des Weströmischen Reiches. Die Lage der keltisch-provinzialrömischen Bevölkerung unserer Heimat wurde damals immer schwieriger, so dass Odoaker den Romanen Noricums befahl, sich nach Italien bzw. dem heutigen Südtirol zurückzuziehen. Damals scheint nur eine geringe Bevölkerung in Noricum geblieben zu sein. Seit 493 gehörte auch unser Land zum Reich des Ostgotenkönigs Theoderich; seine Nachfolger wurden 552 von den Oströmern aus Byzanz vernichtend geschlagen. Damit aber war das nur noch dünn besiedelte Noricum geradezu zum herrenlosen Land geworden. In das Vakuum des im Zuge der Völkerwanderung weitgehend entvölkerten Südostalpengebietes wanderten nach 568 mit den Awaren aus dem Osten gekommene Slawen ein und ließen sich im gesamten Ostalpenbereich bis zu einer ungefähren Linie von Osttirol über den Radstädter Tauern und dem Pongau ins Salzkammergut und bis zur Traun nieder. Bereits kurz vor 600 wird von Kämpfen zwischen diesen Karantanerslawen und den benachbarten Bayern im Gebiet von Innichen berichtet. Soweit waren damals die Slawen bereits vorgedrungen. Die Einwanderung der Slawen bedeutete die entscheidende Zäsur zur Antike und zur provinzialrömischen Zeit, denn innerhalb weniger Jahrzehnte verschwanden die letzten spätantiken Verwaltungs-, Kirchen- und Kulturkonstanten im Südostalpenraum. Bisher konnten in der Steiermark auch keine Siedlungen, die aus der Spätantike erhalten geblieben wären, nachgewiesen werden. In ethnischer Hinsicht ist bei dieser Bevölkerung von Alpenslawen noch nicht von Slowenen zu sprechen, da sich die Ethnogenese der südslawischen Stämme erst später vollzog. Das von diesen Slawen geschaffene Fürstentum Karantanien lag im Vorfeld des damals allmählich christianisierten Reiches der Merowinger und Karolinger und grenzte im Nordwesten an das Herzogtum Bayern, zu dem auch das heutige Bundesland Salzburg gehörte. Karantanien umfasste die Landschaften zwischen dem Drautal und dem Mur- und Mürztal, und vermutlich haben auch noch das Ennstal und das Salzkammergut dazugehört. Im Süden waren die Karawanken die Grenze. Im Laufe der slawischen Landnahme sind die in Kärnten noch bestandenen spätantiken Siedlungen und Kirchen untergegangen und auch die letzten Spuren des römerzeitlichen Christentums verschwunden.

Ausschnitt aus der Landkarte von Salzburg und Kärnten von G. Mercator, 1635

Die slawischen Zuwanderer — Alpenslawen — siedelten vorwiegend in mehr oder minder großen Haufendörfern oder -weilern, die meistens inmitten einer sogenannten „Blockgemengeflur" lagen, bei der die unregelmäßigen, blockförmigen Grundstücke der Dorfbewohner regellos miteinander vermischt waren. Ob in unserem Gebiet auch slawische Adelige auf Edelhöfen saßen oder Bauern ebenfalls Einzelgehöfte bewirtschafteten, wissen wir nicht. Diese slawischen Einwanderer waren noch nicht christianisiert und kannten auch noch keine Schrift, weshalb es für diese Zeit weder Urkunden noch Chroniken gibt. Die wichtigsten namenkundlichen Belege für eine slawische Besiedlung unseres Gebietes sind Namen aus dieser Zeit, die von den slawischen Einwanderern bzw. Bewohnern etwa in der Zeit zwischen 600 und 800 gegeben worden sind. Die Deutung dieser bis zu 1400 Jahre alten Namen ist nicht immer leicht und oft nur mit einem Fragezeichen möglich. Viele der von den slawischen Einwanderern im Frühmittelalter gegebenen Namen dürften abgekommen sein, als sich später allmählich die Bayern ansiedelten. Die meisten Namen unserer Berge, Bäche, Gegenden und Siedlungen stammen aus einer Zeit, für die uns noch keine schriftlichen Geschichtsdokumente in der Form von Urkunden oder Handschriften zur Verfügung stehen. Das macht sie für die Geschichtsforschung besonders wertvoll; sie sind sozusagen die frühesten „Urkunden" für die Geschichte unserer Dörfer und Siedlungsgebiete. Die slawischen Bauern haben also während des Frühmittelalters zuerst mit der Rodung des unteren Rantentales begonnen und dafür verständlicherweise die siedlungsgünstige Sonnseite bevorzugt.

Das Rantental hatte bereits in prähistorischer und vor allem in römischer Zeit Anteil an einem weitläufigen Straßen— und Wegenetz. Entlang dieser Verkehrswege sind die Slawen im Laufe des 7. Jahrhunderts auch in die Gegend von Murau und ins Rantental gekommen. Anfangs siedelten die Slawen vermutlich nur im sogenannten Altsiedelland, an den Rändern der Ebenen und Talniederungen und breiteten sich erst später auch in die Seitentäler und ins Gebirge hinein aus. Dass sie noch zumindest Reste der Vorbevölkerung angetroffen haben müssen, können wir daran ablesen, dass sie von dieser Vorbevölkerung verwendete Namen übernommen haben. Auch im Rantental scheint, wenn auch nur vereinzelt, vorslawisches Namensgut erhalten geblieben und von den Slawen übernommen worden zu sein.

Der Name „Ranten” ist ebenfalls slawischen Ursprungs und scheint um 1074 erstmals in einer Urkunde als Radintin auf. Das Wort leitet sich höchstwahrscheinlich von altslawisch rade(n)tina = die Gegend des Mannes Rade(n)ta ab, dessen Name wiederum mit der altslawischen Wortwurzel rat/rud = gern, lieb, froh zu erklären ist. Der Siedlungsname Ranten gehört somit zu den ältesten uns bekannten slawischen Namen.

 

Quelle:

Gemeindechronik von Ranten (Dr. Walter Brunner)